Stagnation als Transformationsbooster
Coaching Fallvignette 1: Was, wenn sich nichts verändert?
Eine Führungsfrau im Coaching, blitzgescheit, strategisch brilliant, Agilität und transformative Führung motivieren sie. „Viel Kopf, viel Herz“, denkt es da automatisch in mir. „Perfekt!“ Interessiert beobachte ich die Bewunderung, die in mir aufsteigt.
Agile Veränderung auf dem Wunschprogramm der Führungskraft
Sie beschreibt ihr junges, dynamisches Team und ihre Mühen mit einer älteren Mitarbeiterin, lieb, sehr sorgfältig, umständlich priorisierend und daher zu langsam. Das Team und sie agieren dieser Kollegin gegenüber im Schonwaschgang, geben ihr wenig und leichte Aufgaben, obwohl alle rotieren und mehr als genug Arbeit da ist. Die Mitarbeiterin fühlt sich bestätigt, langsamer und gründlicher zu machen. Übersäuerung im Team wird spürbar. Auf dem Wunschprogramm der Führungsfrau: die Mitarbeiterin soll agiler werden, besser Priorisieren, ihre Mails durchscannen mit Blick für’s Wesentliche. Trotz mehrerer Mitarbeitergespräche verändert sich das Verhalten der Mitarbeiterin nicht.
„Transformationsbooster Stagnation“- Neugier auf die Nicht-Veränderung
Momente, in denen ich hellhörig werde und mich leidenschaftlich gerne wundere. Ich kann dem resignierten Ärger meiner Klientin förmlich beim Denken zuhören: „DIE ist einfach zu sicherheitsorientiert, alt, unflexibel – die wird sich nie ändern“. Meine Neugier wächst. Ich liebe Situationen, die auswegslos erscheinen. Das sind erfahrungsgemäss die großartigsten Wachstumsbooster.
„Angenommen, diese Frau wäre das Beste, was Ihnen passieren konnte, angenommen ihre Nicht-Veränderung erzählt Ihnen etwas über Sie, dass Sie noch nicht wissen … was könnte das sein?“ Meine Klientin reagiert erst einmal ratlos. Also biete ich ihr meine Resonanz an. Und zwar zu dem, was ich auf einer non-verbalen Ebene wahrnehme, während sie über ihre Mitarbeiterin spricht. „Ich kann Ihren Ärger nicht spüren, hören, fühlen – wie deuten Sie das? Sie antwortet prompt: „Als Kind war ich immer die Schnellste, ich habe das so oft gehört: Nimm‘ Dich zurück, beschütze die anderen. Sei verantwortungsvoll … ich kann gar nicht anders!“ Sie ist erstaunt darüber, was ihr da über die Lippen kommt.
Bingo! Wir merken beide, wie es angenehm hell im Raum wird. Aha! Ein blinder Fleck wird sichtbar. Sie erkennt, dass diese Zurückgenommene, Verantwortungsbewusste bislang ganz unbemerkt in den Gesprächen mit der „schwächeren“ Mitarbeitern am Tisch gesessen hat und ihr die Durchsetzungskraft nimmt.
Dann zeichnen wir sie auf ein Flipchart … als junge Frau, die Hände in den Hosentaschen geballt, sie blickt zu Boden, ein Fuß scharrt gelangweilt-ungeduldig im Sand. Sie durfte ihre Genialität nicht zeigen. Das wäre unhöflich gewesen den anderen gegenüber. Von ganz allein ändert sich ihre Gefühlswelt … Schmerz, Wut und Enttäuschung werden spürbar … meine Klientin schaut mich etwas hilflos an ob der Gefühlsmischung, die da in ihr aufsteigt. Weiteratmen, schauen, spüren, was gerade ist. Sie schließt die Augen für ein paar Momente. Lächelt und sieht mich dann ganz klar an – glücklich über das Erkennen ihres eigenen Anteils an der Nicht-Veränderung.
Future Zoom – wie es danach weiterging …
Zoomen wir vorwärts in die nächsten Wochen: es kommt zu einem ehrlichen, wertschätzenden Austausch der beiden Frauen, in dem meine Klientin durch die eigene Klarheit viel über die Befürchtungen der älteren Mitarbeiterin erfährt, Fehler zu machen. Das Verhältnis der Beiden wandelt sich. Die neue Offenheit macht Lösungen möglich. Die Mitarbeiterin wird in den nächsten Wochen mutiger, schneller und scherzt sogar auf dem Gang mit den anderen über ihre „Super-Fehler-Toleranz“. Das Thema „Fehlerfreude“ gerät damit von ganz allein in den Fokus des ganzen Teams. In den Meetings sitzt jetzt ein „Fehlerengel“ aus Plüsch auf einem Extra-Stuhl und im Team erzählen sie sich einmal in der Woche vom größten „Fehler der Woche“. Stolz macht sich bereit über das neue Vertrauen, den Zusammenhalt und die Lernfähigkeit im Team.