Führen mit Rollenbewusstsein
Für die Führungsaufgabe – egal ob als Führungskraft im hierarchischen Prinzip oder im Rahmen von geteilter Führung wie sie z.B. im agilen Umfeld üblich ist- ist Rollenklarheit das A und O.
Welche Rolle spielt in meinem Unternehmen (k)eine Rolle?
Rollen wir das „Thema Rolle“ von Vorne auf: Definieren lässt sich eine „Rolle“ als Beschreibung von aufgabenbezogenen Haltungs- und Handlungslogiken. Natürlich werden Rollen zuvorderst vom Unternehmen, dessen Kultur und Strukturen vorgegeben. Das ist dann zum einen die Frage, ob ein Rolle überhaupt eine Rolle spielt und zum gewissen Grad auch wie sie es innen drinnen ihr aussieht. Den Rest gestaltet dann wiederum der jeweilige Rollenträger mit seinen Werten und seinem Mensch-Sein. Sie sehen, im Thema Rolle steckt so auch immer ein Spannungsfeld: Rollen bieten ihrem Rollenträger einerseits Stabilität und Schutz und beschränken ihn gleichzeitig aber auch wiederum im Ausdruck der eigenen Authentizität. Glück hat, wo Rolle(n) und die Persönlichkeit eines Menschen ein gutes Match bilden.
Meine Güte, soviel Hüte …!
Bildlich können Sie sich das Potpouri an Rollen, mit dem es ein Mensch in Führung zu tun hat, vorstellen als verschiedene Hüte: z.B. dem unternehmerischen Cowboyhut, der zugewandten Coach-Cap, dem moderierenden Zylinder des Facilitators, dem anweisenden Offiziersschiffchen des Vorgesetzten oder dem bunten visionären Ballonmütze eines begeisternden Leaders.
Diese Rollen-Hüte dürfen zum einen bewusst und situativ angemessen auf und wieder abgesetzt werden (Stichwort: „Rollenbewusstsein“ & „Rollendistanz“). Die Hutmethaper macht aber auch deutlich, dass nicht allzu viele Hüte gleichzeitig auf einen Kopf passen. Menschen in Führung dürfen lernen, mit ihren oft doch sehr unterschiedlichen Hüten (der Fachterminus hierfür ist „Rollenkomplexität“) zu jonglieren. Denn nicht nur aufgrund der sich oft widersprechenden Rollenanforderungen (das nennt man dann „Rollenkonkurrenz“) kann es im eigenen Inneren doch ganz schön Hin – und Her gehen (das wäre dann ein sog. „Rollenkonflikt“).
Immer wieder: ROLLENbewusstsein, RollenBEWUSSTsein, RollenbewusstSEiN
Ein gutes Rollenbewusstsein, also zum einen eine stimmige mentale Rollenlandkarte (wie beigefügtes visuelles Template für Führungskräfte in der Hierarchie) und zum anderen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung der eigenen – oft ja sehr flüchtigen – Gedanken, Emotionen und Köpersignale spielt dabei sprichwörtlich die Hauptrolle. Das klingt in der Theorie sehr viel leichter als es in der Praxis ist. Ein klassisches Beispiel aus dem inneren Team einer Führungskraft macht das deutlich: etwa wenn diese es aufgrund der jahrzehntelangen fachlichen Expertise absehen kann, was mittel- und langfristig die beste Entscheidung ist (Experte & Mitunternehmer) und wiedermal die Zeit unter den Nägeln brennt (Mensch mit Macherqualität), ein Mitarbeiter aber andererseits Eigenverantwortung und Mut lernen darf (Vorgesetzter/Delegation/Entwickler), weil das am Meisten für Augenhöhe im Team sorgt (Facilitator) und das wiederum am Besten über zeitraubende Entwicklungsgespräche mit guten Fragen zu lösen ist (Coach). Und hier handelt es sich nur um einem Mitarbeiter von vielleicht 10 im Team.
Warum sind beim Thema Rolle Selbstreflektion & Selbstwahrnehmung so wichtig?
Mental fliegen die Gedanken in solchen Situationen allein schon aufgrund des operativen Drucks oft genug im Kopf so durcheinander, dass sie dem jeweiligen Rollenträger gar nicht wirklich bewusst werden. Ganz zu schweigen davon, dass man dieses Gedankenwirrwar so dann natürlich auch schlecht den einzelnen Rollen zuordnen kann. Um dabei dann noch widersprüchliche Gefühle und Köpersignale erkennen und benennen zu können, braucht es Übung im Innehalten, in der Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit, sich aus seinen inneren Impulsen und Bedürfnissen einen sinnvollen Reim zu machen. Das ist im Coaching dann der Moment, in dem methodische Führungskräfteentwicklung auf Persönlichkeitsentwicklung trifft.
Einzelne Szenen für Ihre innere Bühne
Ich beschreibe Ihnen im ersten Schritt gerne ein paar gängige Szenen des Rollenspiels aus meiner Coachingarbeit. Durch diese kognitiven Schablonen fällt Ihnen das Sortieren im Alltag mit Sicherheit leichter:
Ein wirklicher Klassiker ist die bereits genannte ROLLENKONKURRENZ. Zu erkennen daran, dass in einer Situation die Verfolgung von mindestens 2 Prinzipien angesagt wäre, die sich aber inhaltlich schlicht und einfach wiedersprechen. Entscheide ich mich z.B. dafür auf Kosten und Budget zu achten, bekomme ich es immer auch gleichzeitig mit dem Thema Qualität zu tun. Im inneren Dialog streiten sich dann die Rolle des Unternehmers, der die Kosten im Blick halten muss, mit der Rolle des Fachexperten, dem die Qualität eines Produkts am Herzen liegt.
Zur sog. ROLLENTRÜBUNG kommt es, wenn ein Mensch Werte und Handlungslogiken aus seiner privaten Lebenswelt mit denen im Beruf vermischt. Etwa dann, wenn die Rolle des eigenen Teams mit der einer Familie gleichgesetzt wird. Team und Familie sind Systeme mit sehr unterschiedlichen Spielregeln (was unschwer daran zu erkennen ist, dass man einem Teammitglied kündigen kann, wenn er nicht performt; einem Familienmitglied gegenüber wird das nur schwerlich funktionieren. Niemand kündigt seinem Sohn, wenn er den Müll nicht runterbringt).
Ein weiterer Klassiker ist die sog. ROLLENPRIORITÄT, die auftritt, wenn ein Mensch eine Situation persönlich anders beurteilt, als als Führungskraft oder aus Sicht der Organisation. Um Komplexität aus der Sache zu nehmen, sollte der betreffende Mensch dann bewusst entscheiden, welche der 3 Lebenswelten die Wichtigste ist und dies auch entsprechend kommunizieren z.B. mit einem „Persönlich fällt es mir schwer, xy zu machen, aber aus organisatorischer Sicht halte ich diese Entscheidung für die Beste“. Natürlich kann es in schwierigeren Fällen dann auch darum gehen, die Nachteile dieser Entscheidung wieder auszugleichen und z.B. mit dem betroffenen Mitarbeiter Mittagessen zu gehen.
Manchmal entstehen Probleme natürlich auch dadurch, dass eine Rolle schlichtweg nicht dem Wesen eines Menschen entspricht. So spricht man von fehlender ROLLENPASSUNG, wenn einer Führungskraft z.B. Risikofreude und Durchsetzungskraft in ihrer Führungsrolle fehlt, sie aber ein guter Fachexperte wäre.
Mein Fazit: Dieser kleine Auftakt will deutlich machen, dass die Fähigkeit zur Selbst- und Rollenreflektion bei Menschen in Führung geschult sein darf. Dies mag nicht immer leicht sein, gerade wenn Stress oder eine eigene emotionale Betroffenheit mit auf der inneren Bühne stehen. Kollegiale Beratung, ein wohlmeinender neutraler Sparringspartner und Coaching helfen in diesen Situationen, die Dinge wieder in(s) Rollen zu bringen.
Mein TIPP für Ihre Rolle vorwärts
Schreiben Sie beim nächsten Rollenkonflikt doch einfach mal alle Rollen, die Ihnen spontan in dieser Situation einfallen auf verschieden Post its. Dann kleben sie diese auf den Boden und stellen sich nacheinander auf jedes darauf. So können Sie leichter sortieren, indem Sie in sich hinein hören und spüren: was denken und fühlen Sie? Wie verändert sich Ihre körperliche Wahrnehmung bei jedem Post it? Für eine runde, ganzheitliche Erfahrung hilft es übrigens sehr, sich die einzelnen Aspekte aufzuschreiben.